An diesem Tag schien alles wie verhext zu sein – nicht nur wegen der Hektik des Morgens, die mir jegliche Gelegenheit auf einen Toilettenbesuch verwehrt hatte, sondern vor allem wegen der Tatsache, dass ich von jetzt auf gleich zu einer unfreiwilligen Hundesitterin geworden war. Und das in einer dermaßen verfänglichen Situation, in der ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, als endlich zu einem Klo zu gelangen, um meine schrecklich volle Blase zu erleichtern.
Ich hatte schon seit Stunden pinkeln müssen, im Trubel des Einkaufszentrums jedoch keine Gelegenheit zur Erleichterung entdecken können. So war ich gerade vor einem hübschen, kleinen Möbelgeschäft stehen geblieben, um mich in der Weitläufigkeit der Gänge und Rolltreppen nach einem Hinweisschild umzuschauen, das mich zum erlösenden Örtchen hätte leiten können, als mir eine ältere Dame plötzlich die Leine ihres Hundes in die Hand gedrückt hatte. Sie müsse nur rasch in die im Shoppingcenter befindliche Arztpraxis huschen, um ein bestelltes Arzneimittelrezept abzuholen, wie sie mir erklärte und nebenher die Bitte geäußert hatte, dass ich während dieser Zeit so lieb sein möge, auf ihr Hündchen aufzupassen.
Die Zusicherung der freundlichen, grauhaarigen Lady, dass es gewiss nicht lange dauern würde, klang noch immer in meinen Ohren nach, als ich auf einem der schicken Sofas des Möbelladens platzgenommen hatte und mit meiner prallvollen Blase rang. Das Sitzen tat mir gut – es war die erstbeste Gelegenheit gewesen, die sich mir geboten hatte und auf der ich bis zur Wiederkehr der vertrauensseligen Seniorin ausharren musste.
Mittlerweile war über eine halbe Stunde vergangen und ich saß hier, mit einem zugegebenermaßen sehr niedlichen Hund auf dem Schoß, der nicht mir gehörte und der mich durch seine Anwesenheit davon abhielt, meinem äußerst dringenden Bedürfnis nachzugeben. Tief in mir pochte es bedrohlich – das lange Anhalten und der zuvor immer wieder hinausgezögerte Gang zum WC forderten ihren Tribut. Ich wusste, lange würde ich es nicht mehr schaffen, doch bis dahin hieß es, die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten.
Die Beine eng übereinandergeschlagen presste ich den Hintern in das blaue Polster der teuren Couch. Nur nicht dran denken, sagte ich mir gleich eines beruhigenden Mantras unentwegt, doch es half nicht. Natürlich konnte ich nicht wegatmen oder gar vergessen, wie wahnsinnig nötig ich zur Toilette musste; das wiederholte, heftige Aufbäumen meines Blasendrucks erinnerte mich schließlich beharrlich daran.
Das Warten wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn der junge und, wie ich fand, ausgesprochen gut aussehende Verkäufer nicht ständig zu mit herübergesehen hätte. Zum einen fragte er sich wahrscheinlich längst, aus welchem Grund ich einfach nur planlos auf einem seiner Verkaufsstücke herumsaß und zum anderen, und das war der deutlich peinlichere Teil, könnte er mein Dringendmüssen bemerkt haben. Zwei gute Gründe also für ihn, mich nicht aus den Augen zu lassen … Seine Besorgnis, ich würde die teure Couch am Ende nassmachen, war sicher groß, doch garantiert nicht halb so übermächtig wie meine Furcht, dass genau dieses Desaster eintreffen könnte.
Glücklicherweise war der Hund auf meinen Oberschenkeln brav und verhielt sich nahezu vorbildlich. Er wärmte mich angenehm, strahlte Gelassenheit aus und blieb sogar dann noch ruhig liegen, als meine Beine schnell und immer stärker in Unruhe gerieten und ich mit dem weiteren Voranschreiten der Zeit auch den Po nicht mehr still halten konnte.
Ich schämte mich, konnte allerdings auch nichts daran ändern, dass ich meinen Körper wider Willen bewegen und vom sofortigen Nasspinkeln meiner Hosen ablenken musste. Es war anders nicht mehr auszuhalten und mir wurde zunehmend klarer, dass ich mich in absolut höchster Not befand. Was sollte ich nur tun? In dem kleinen Geschäft gab es zu meinem Bedauern kein Klo – für das Verrichten etwaiger Notdürfte der Kunden waren die allgemein zugänglichen WC-Bereiche des Einkaufszentrums vorgesehen, von denen ich zuvor keinen hatte ausmachen können. Und mich zu entfernen, traute ich mich nicht – die ältere Dame verließ sich darauf, ihren kleinen Schatz an dieser Stelle der großen Einkaufsmeile wieder in Empfang nehmen zu können.
Mir wurde immer klarer, dass schleunigst etwas passieren musste: Entweder ich würde sehr bald aufspringen und entgegen jedem Vorsatz zusammen mit dem Hündchen nach einer Toilette suchen oder die Besitzerin des süßen Fellknäuels sollte dringlichst auftauchen. Meine Blase schien kurz vor dem Platzen zu stehen; langsam machte sich Panik breit. Wo blieb sie nur? Und was wäre, wenn ich es gleich wirklich nicht mehr kontrollieren könnte und der gesamte Inhalt meiner Blase sich auf das elegante Sofa ergießen sollte? Jene Besorgnis war auch in den Gesichtszügen des attraktiven Angestellten, oder war es der Eigentümer, abzulesen. Er dachte wie ich: Ein solches Malheur musste um jeden Preis verhindert werden. Dass es mir zum Schluss gelingen würde, diese gewaltige Katastrophe abzuwehren, ich aber mit tropfend nassen Hosenbeinen dafür bezahlen müsste, ahnte ich in diesem Augenblick noch nicht …
Von der betagten Besitzerin des Hundes, für den ich gezwungenermaßen die Verantwortung übernommen hatte, war auch nach einer weiteren Viertelstunde nicht das Geringste zu sehen. Anzunehmenderweise hielt sie sich entspannt im Wartebereich oder Sprechzimmer des Arztes auf, ihren Schützling in den guten Händen einer jungen, manierlich wirkenden Frau wissend.
Ebenso seelenruhig wie sein Frauchen wohl auf ihr Rezept wartete, schlief das Tier auf meinem Schoß, der mir in derselben Sekunde förmlich zu explodieren drohte. Exakt dieses Unheil kündigte sich mit einem scharfen Strahl an, der mir trotz des krampfhaften Anspannens aller Muskeln meines Unterleibs ins Höschen schoss und mich unwillkürlich aufschrecken ließ.
Im gleichen Moment schob ich geistesgegenwärtig den Hund beiseite und sprang, wie von einem Katapult emporgeschossen, von meinem plüschigen Sitzplatz auf. Gerade noch rechtzeitig, bevor mein überstrapazierter Schließmuskel die dämmebrechende Flut freigab, die mir ohne Erbarmen den Slip und sofort darauf den Schritt der Jeans durchtränkte.
Mit Tränen in den Augen hielt ich schamerfüllt vor dem taubenblauen Sofa inne, unfähig, mich auch nur einen Zentimeter zur Seite oder nach vorn zu bewegen. Unter den fassungslosen Blicken des Mitarbeiters oder Chefs, wie ich nach wie vor nicht wusste, pinkelte ich mir unfreiwillig in die Hose. Ich konnte nichts dagegen tun, dass es mir in Windeseile an den Innenseiten der Oberschenkel nach unten lief. Der nasse Jeansstoff begann, dunkel zu glänzen; längst hatte sich mein Höschen bis zur äußerten Grenze seiner Aufnahmekapazität vollgesogen. Es klebte warm an der Haut meiner Pobacken – weinend fühlte ich die Wärme am Hintern, der sensiblen Vagina und an den Beinen. Selbst bis zu meinen hellbraunen Wildlederschuhen strömte der Urin hinunter, verteilte sich in ihnen und hinterließ eine mehr als nur feuchte Empfindung an den nackten Füßen.
Komplett bloßgestellt stand ich schluchzend da und wie es oft in Augenblicken, in denen man es am wenigsten brauchen kann, geschieht, und man es wegen der soeben erfolgten Blamage schon gar nicht möchte, kamen gleich zwei Menschen auf mich zu. Einerseits der freundliche Verkäufer, der mich über die gesamte Zeit hinweg beobachtet hatte und nun annahm, ich könnte seine Hilfe brauchen und andererseits die lächelnde Hundebesitzerin, die mit einem rosa-weißen Zettel, sehr wahrscheinlich ihrem Arzneimittelrezept, in der Hand den Laden betrat.
»Ach herrje, was ist Ihnen denn passiert? Warum sind sie um Gottes willen nicht rechtzeitig aufs WC gegangen, junge Frau?«, erreichten mich die sehr direkten Worte ihrer Verwunderung, obwohl sie es doch war, die mich durch ihren ungefragten Hundesitting-Auftrag von exakt diesem Vorhaben abgehalten hatte. Zu beschämt und perplex, um angemessen reagieren oder gar ablehnen zu können, nahm ich den Geldschein entgegen, den sie mir neben ihrer Unterstellung, den Toilettengang vernachlässigt zu haben, als Dankeschön für das Achtgeben auf ihr geliebtes Hündchen in die Hand drückte. Mit einem insgeheim schuldbewussten Lächeln auf den Lippen verließ sie hiernach das geschmackvoll eingerichtete Möbelgeschäft, während der schlanke, hochgewachsene Herr einen weiteren Schritt auf mich zutrat und mir einfühlsam sein Mitgefühl entgegenbrachte:
»Zu sehen, wie es Ihnen ergangen ist, tut mir leid. Sie haben sich bereits eine ganze Weile herumquälen müssen, habe ich recht?«
Mit dem 50-Euro-Schein in der Hand nickte ich. Noch immer rollten Tränen aus meinen Augen hervor, lediglich das hörbar niedergeschlagene Schluchzen hatte aufgehört. Ich blickte auf das Geld zwischen meinen Fingern und fühlte bitteren Galgenhumor in mir aufsteigen.
»Zumindest konnte ich Kasse machen …«, grinste ich vorsichtig, worauf mir mein Gegenüber mit einem zustimmenden Lächeln beipflichtete und ebenfalls auf den Geldschein hinunter schaute.
»Das ist wahr, doch wiegt es die durchlittenen Gefühle auch nur annähernd auf?«, fragte er in derselben Sekunde nach. Die Achtung meiner Emotionen und der Tiefgang, den das Gespräch von seiner Seite aus zu nehmen begann, berührten mich. Mit noch immer tropfnasser Jeans, feuchtgeweinten Augen und einem durchweichten Slip, der mir wie eine zweite Haut am Po klebte und darüber hinaus stark nach Pipi zu riechen anfing, sah ich zu dem Fremden auf, der mir in diesem Moment wunderbar vertraut erschien.
»Nein, sicher nicht«, gab ich daher zur Antwort, die ich durch einen Nachsatz ergänzte, der dem plötzlichen Empfinden einer derartigen Innigkeit überaus gerecht wurde:
»Außer, du leistest mir bei Kaffee und Kuchen Gesellschaft. Nach diesem Tag brauche ich unbedingt etwas Süßes …«
»Und darüber hinaus etwas Trockenes zum Anziehen«, bemerkte er pragmatisch grinsend, bevor er fortging, um kurz darauf mit einem Wischeimer zurückzukehren. Während er sich dem Entfernen des nassen Flecks auf dem Holzboden widmete, fiel mir auf, dass ich den großen Unbekannten ungefragt geduzt hatte. Bevor ich jedoch länger darüber nachdenken konnte, ob dies in seiner Wahrnehmung als ungehörig angekommen war, stellte er die Putzutensilien schon wieder beiseite und kehrte mit einem klimpernden Schlüsselbund in der Hand zurück.
»Dann lass uns gehen«, forderte er mich freundlich lächelnd auf, drehte das ›Geöffnet-Schild‹ im Schaufenster auf ›Geschlossen‹ um und steckte den größten der Schlüssel bereits in das metallene Schloss der vollverglasten Ladentür.
»Was hältst du von dem Vorschlag, dein Schmerzensgeld, wenn ich es so nennen darf, gleich nebenan in neue Kleidung zu investieren? Diese könntest du sofort anbehalten und dich stattdessen von mir zu einem süßen Abstecher einladen lassen.« Angesichts dieser Idee, die durch sein herzliches Angebot deutlich durchklingen ließ, dass es sich bei der Begleitung meiner neuen Bekanntschaft um weitaus mehr als eine Höflichkeitsgeste handelte, färbten meine Wangen sich vor Freude rot. Vielleicht war auch meine Scham die Ursache dafür, die ich bei dem Gang durch das Shoppingcenter mit der vollkommen eingepinkelten Jeans empfand, doch das spielte in diesem aufregenden Herzklopfen-Moment lediglich eine untergeordnete Rolle. Mit ihm zusammen fühlte es sich irgendwie richtig an …