Ebbe und goldene Flut – Schreckliche Not auf dem Deich (Kurzgeschichte)

Ebbe und goldene Flut
Schreckliche Not auf dem Deich

Siebte Geschichte aus dem Buch „Noch süßere Not“

Von Magenta König

Kurzgeschichte, erschienen am 28.04.2022

VG Wort
Pärchen steht sich dicht gegenüber

»Ach komm, lass doch. Sooo lange sind wir ja nicht mehr unterwegs …« Mit diesen Worten ergriff Lennart meine Hand und bugsierte mich aus dem kleinen Café, in das wir zuvor eingekehrt waren. Ich warf einen nervösen Blick Richtung WC, bevor ich mich dann allerdings geschlagen gab und meinem neuen Freund hinaus folgte. Dabei hätte es sicher kaum Zeit gebraucht, noch kurz die Toilette aufzusuchen. Geduld gehörte offenkundig nicht zu Lennarts Stärken – nahm ich zumindest an. Ich schmunzelte. Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, war ich blind in diesen humorvollen und charmanten Mann verliebt und bisher war der Tag an der Nordsee, zu dem ich von ihm entführt worden war, einfach wundervoll.

 

Das Mittagessen, wie sollte es auch anders sein, hatte aus herrlich frischem Fisch bestanden, danach waren wir durch die Geschäfte des schmucken kleinen Küstenörtchens gebummelt. Seither klimperte ein silbernes Armband an meinem Handgelenk, welches mir beim Besuch einer Boutique auf Anhieb so gut gefiel, dass ich mich nicht dagegen hatte wehren können, es von Lennart geschenkt zu bekommen. Im Anschluss lud er mich noch zu Cappuccino und Torte ein. Die Komposition aus Stachelbeere und Baiser war ein echter Hochgenuss – nur jetzt wollte der italienische Milchkaffee, gepaart mit den Getränken vom Mittag, langsam wieder hinaus.

Ich spürte, wie die Blase drückte, ignorierte es jedoch heldenhaft. Das Letzte was ich beabsichtigte, war die Geduld meines Traumprinzen auf die Probe zu stellen, indem ich mich von seiner Hand losreißen würde, um zurück zum Klo zu rennen. So lange, bis wir zu Hause wären, könnte ich es wohl aushalten. Eine Stunde Fahrt, sitzend im Auto – ich war zuversichtlich, dass dies keine allzu problematische Herausforderung für meinen Schließmuskel darstellen sollte. Leider wusste ich in jenem Moment nicht, dass Lennart noch weitere Pläne hatte …

 

»Wohin fährst du?«, fragte ich verdutzt, als ich bemerkte, dass er nicht den Heimweg einschlug. Seine Hand lag warm auf meinem Oberschenkel, unsere Finger waren ineinander verschränkt. Ich spürte, wie verspannt ich war. Immer größere Mengen der verzehrten Getränke bahnten sich stetig ihren Weg in meine Blase, die nun unablässig Meldung gab. Dieses Gefühl sagte mir, dass der Höchstfüllstand in Bälde erreicht sein würde. Inzwischen ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich nicht darauf bestanden hatte, das WC in der Gastwirtschaft aufzusuchen. Doch nun war es zu spät. Ich hatte mich verschätzt. Und Lennart, statt die kürzeste Route zur Autobahn zu nehmen, lenkte den Wagen geradewegs auf einen halb gefüllten Rasenparkplatz irgendwo im Nirgendwo. Er parkte ein und schaltete den Motor aus.

 

»Ich dachte, wir gehen noch ein wenig auf dem Deich spazieren«, schlug er vor. »Es ist so ein herrlicher Frühlingstag. Den möchte ich mit dir auskosten.« Verschmitzt zwinkerte er mir zu. Grundsätzlich wäre ich einverstanden gewesen, doch in der aktuellen Situation löste die Vorstellung an einen längeren Spaziergang dezente Panik in mir aus.

»Oder hast du keine Lust mehr?« Als mich der Blick aus braunen, treuherzigen Augen traf, mochte ich nicht ablehnen. Gegen eine kleine Wanderung am Meer, im Arm meines Geliebten, war ja nichts einzuwenden, wäre da nicht das fiese, nervige Druckgefühl im Unterleib, das mich hartnäckig daran erinnerte, dass es Zeit wurde, endlich eine Toilette aufzusuchen. Dies ehrlich zu sagen, erschien mir jedoch zu peinlich – es klang albern und jämmerlich und eventuell so, als ob ich ihm die Schuld geben würde, weil er mich vorhin nicht hatte gehen lassen.

Innerlich fluchte ich. Bei jedem anderen hätte ich mich im Café gewehrt, bei jedem anderen hätte ich auch jetzt einfach zugegeben, dass ich gerade in Nöten war und mir erst einmal ein Klo suchen müsste, bevor ich zu weiteren Abenteuern bereit wäre. Nicht allerdings bei Lennart. Auf keinen Fall sollte etwas unsere perfekte Harmonie und Romantik stören.

»Alles in Ordnung mit dir?« Aufmerksam betrachtete er mein Gesicht. Nach kurzem Zögern beschloss ich, dass ich einfach die Zähne zusammenbeißen würde. Es war kaum anzunehmen, dass es zu einem Endlosspaziergang ausarten dürfte. Also lächelte ich, nickte und öffnete die Beifahrertür, um auszusteigen.

 

Im ersten Moment wurde es besser, als ich mich bewegte. Erleichtert seufzte ich auf. Kühle, salzige Luft umwehte uns, lachend zog mein Schatz mich an sich, um mir einen langen Kuss zu geben. Als er sich in den Kofferraum beugte, um schnell noch einen großen Schluck aus einer Mineralwasserflasche zu nehmen, bekam ich eine Gänsehaut. Dankend lehnte ich das Angebot, ebenfalls etwas zu trinken, ab. Die Klappe des Wagens fiel wieder zu. Dann legte er mir den Arm um die Schultern und wir stiegen den schmalen Weg auf den Deich hinauf.

 

Gerade war Ebbe. Die Sonne glänzte auf dem Watt, spiegelte sich in den letzten verbliebenen Salzwasserflächen. Als ich den asphaltierten Streifen entlang sah, der als Promenade diente, staunte ich über die Menschenmassen. Wenn der Parkplatz auch nicht sonderlich belegt gewesen war, so tummelten sich hier Dutzende: Skateboarder und Inlineskater, Fahrradfahrer und Fußgänger. Einige Leute ließen bunte Drachen auf der Wiese steigen. Offensichtlich wollte sich niemand diesen sonnigen Tag entgehen lassen.

Nach einem weiteren, zärtlichen Kuss auf meine Lippen, schlug mein Partner den Weg nach rechts ein. Erneut horchte ich in mich hinein und stellte fest, dass der schlimmste Druck vorüber war. Froh, dass es mir allem Anschein nach nicht den Tag versauen würde, vertraute ich darauf, dass ich es doch noch ein Weilchen würde aushalten können. An Lennart geschmiegt ging ich mit ihm.

 

Etwa zwanzig Minuten später hatte die Hoffnung sich verflüchtigt. Bis dahin war es ein leichtes Zwicken gewesen, das mich begleitet und das ich missachtet hatte, so gut es ging. Zwar war die Aussicht wundervoll, die Sonne und der frische Wind ebenso, doch so schnell, wie der erste Drang verflogen war, so heftig meldete sich mein Unterleib plötzlich zurück. Völlig überraschend verspürte ich schlagartig eine überwältigende Not. Reflexartig schloss ich die Beine, klemmte die Oberschenkel aneinander, so fest ich konnte. Ich war gezwungen, stehen zu bleiben. Nun waren die Getränke endgültig in der Blase angekommen. Ich musste so dringend wie selten zuvor. Dazu kam ein unangenehmes Stechen, das mich hörbar aufkeuchen ließ.

 

»Was ist denn los?«, fragte mein Begleiter. Ich biss mir auf die Unterlippe, wartete, bis die Woge abgeebbt war. Am liebsten hätte ich meine prekäre Lage natürlich weiterhin überspielt, doch dies schien mittlerweile undenkbar. Ich hatte begriffen, dass ich so schnell wie möglich eine Gelegenheit brauchte, um mich zu erleichtern.

Wärme stieg in mein Gesicht, ich wusste, dass ich knallrot anlief. Als ich es Lennart widerwillig gestand, hatte ich für eine Sekunde den Eindruck eines Glitzerns in seinen Augen. So besorgt, wie eigentlich von einem Freund erwartet, strich er mir über den Rücken.

»Hältst du es noch eine Weile aus? Hier ist weit und breit kein Klo.« Damit wies er auf das Offensichtliche hin. Auch mir war aufgefallen, dass es außer Zäunen, Gras und einigen Schafen so rein gar nichts gab. Jener Teil der Strecke diente Sportlern und Spaziergängern und war nicht, wie die Liegeflächen für Badende, mit WC-Häuschen ausgestattet.

»Weiß nicht«, stöhnte ich leise, »ich hab keine Ahnung. Es ist echt dringend.« Wieder überkam mich eine Welle des Müssens. Das hatte ich großartig hinbekommen, schalt ich mich selbst. Nicht nur, dass ich nun beichten musste, wie mein Körper mich beinahe im Stich ließ, ich hatte es auch geschafft, mich in eine grandiose Notlage hineinzumanövrieren.

 

Ich schämte mich entsetzlich. Ach, wären wir doch vorhin nur nach Hause gefahren. Ich schwankte zwischen Frust und dem Gefühl der völligen Blamage, als ich hilflos meine Hand in den Schritt klemmte. Speziell in diesem Augenblick, in dem die goldene Flut mit aller Macht drängte, konnte ich mir keine Eitelkeit mehr erlauben.

»Es tut mir leid, Lennart, aber mir müssen umdrehen. Jetzt. Sofort.«

Wieder hatte ich einen Moment lang das Empfinden, er würde lächeln. Was war nur mit ihm? Komisch fand ich das Ganze überhaupt nicht.

Krampfhaft versuchte ich, mich ein letztes Mal zusammenzureißen. Sobald wir erneut im Auto sitzen würden, müssten wir schnellstmöglich irgendein Restaurant oder meinetwegen auch eine Fischbude mit entsprechenden Örtlichkeiten finden. Ich atmete tief durch. Meine Zähne gruben sich schmerzhaft ins Fleisch der Unterlippe. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich einige Leute, die zu uns herübersahen. Auch das noch. Forsch trat ich den Rückweg zum Parkplatz an.

 

Mit wenigen Schritten holte mein Partner mich ein. Wie vorhin wollte er mich an sich ziehen, doch ich war extrem verzweifelt und zu konzentriert auf meinen Körper und die Pinkelnot, als dass mir der Sinn nach Kuscheln gestanden hätte. Ich entzog mich, schenkte ihm statt einer Umarmung ein schuldbewusstes Lächeln.

Während ich den Gang beschleunigte, blieb er dennoch an meiner Seite. Seine Augen ruhten auf mir, obwohl ich stur geradeaus starrte. Gerade, als ich begann, mich wieder etwas zu entspannen, raste die nächste Woge des Drangs durch meinen Unterleib. Meine Blase protestierte vehement. Die Qual war ungeheuerlich. Wie zuvor stoppte ich jäh, kreuzte die Beine, kniff rasch die Schenkel zusammen.

»Verdammt!«, rutschte es mir heraus. Es war gut gegangen, doch ich fühlte, wie der Schließmuskel langsam nachgab. Nicht lange und er würde der enormen Flut in meinem Inneren nicht mehr standhalten können. Verzagt ging ich in die Knie. So krass hatte ich mich selten verkalkuliert.

 

Wie von selbst erschien vor meinem geistigen Auge eine Szene aus meiner Jugend. Als Folge eines Kneipenbesuchs war mir auf dem Heimweg ein Malheur passiert. Die nasse Hose hatte damals nur meine beste Freundin mitbekommen, dennoch war es mir noch Wochen später unendlich peinlich gewesen. Hier, am helllichten Tag, vor allen Leuten und insbesondere meinem neuen Freund, durfte mir diese Blamage auf keinen Fall nochmals geschehen.

Ich mobilisierte sämtliche Kräfte; den Schmerz beiseiteschiebend zwang ich meinen Unterleib, weiterhin durchzuhalten. Der Gedanke, mich in der Öffentlichkeit auf dem Deich zu entblößen und vor Fremden zu pinkeln, verbot sich von selbst. Und dann war da noch Lennart. Niemals hätte ich das gekonnt. Somit gab es nur zwei Alternativen: Standhaft bleiben oder eine Wiederholung des nassen Missgeschicks von damals riskieren. Nur, dass es heute etwa tausendmal schlimmer sein würde. Die Vorstellung allein machte mir eine Höllenangst.

 

So schnell es mir möglich war, stolperte ich wieder los. Halb rannte ich nun, halb hinkte ich, da ich die Beine zusammenzuhalten versuchte. Die Hand ließ ich in meinen Schritt, gab mich der trügerischen Hoffnung hin, dass es helfen würde, die heiße Flüssigkeit in mir zu halten. Das, was vor einer halben Stunde noch undenkbar gewesen war, sich nämlich so peinlich vor dem tollsten Mann zu verhalten, den ich jemals kennengelernt hatte, wurde jetzt zur absoluten Notwendigkeit. Ich verbot mir den Gedanken daran, wie ich später damit klarkommen sollte.

Immer wieder blieb ich stehen, krümmte mich, ging in die Knie. Das Stechen in meiner Blase hatte zugenommen, mein gesamter Unterkörper verkrampfte sich und schmerzte. Die Füllmenge des Organs hatte jedes vernünftige Maß überschritten, das fühlte ich. Und dennoch schien es schlimmer und schlimmer zu werden. Ich hatte nicht übermäßig getrunken, doch es war, als wollte sich literweise Urin den Weg nach draußen bahnen.

 

Für eine Sekunde gab der Schließmuskel nach. Nässe schoss mir in die Harnröhre, lief unaufhaltsam voran. Erschrocken stöhnte ich auf, spürte den warmen Spritzer in meinem Slip, bevor ich unter Aufbietung aller Kräfte wieder einhalten konnte.

»Oh, bitte nicht«, flehte ich leise. Mir war bewusst, dass inzwischen eine Reihe von Menschen zu mir schaute, teils neugierig, teils mitleidig. Ich blendete sie aus, so gut es ging. Der Einzige, den ich noch wahrnahm, war Lennart. Dem schien es tatsächlich nah zu gehen. Von Lächeln keine Spur mehr. Mit betroffener Miene sah er mich durchgehend an.

 

Wir eilten voran. Es kam mir vor, als hastete ich stundenlang in Richtung Auto, dabei waren es vermutlich nur wenige Minuten. Ich versuchte, mich zu erinnern, wo dieser vermaledeite Parkplatz war, doch die schreckliche Not ließ mir den Deich endlos erscheinen. Ich hatte die Orientierung verloren.

»Sch…, wie weit ist es denn noch?«, fragte ich atemlos. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Jetzt nur nicht heulen, befahl ich mir, während ich fester zupackte. Die Fingerspitzen drückten den soliden Jeansstoff erbarmungslos in meine Spalte, ich fühlte die feuchte Hitze unter ihnen. Aus Feuchtigkeit wurde Nässe, als urplötzlich ein weiterer Schwall des goldenen Stroms aus mir herausbrach.

»Oh nein!« Es gelang kaum, ihn noch zu aufzuhalten. Ich keuchte.

 

»Wir sind sofort da, Kati«, hörte ich endlich Lennart, »gleich sind wir beim Auto. Das kriegst du hin.« Während er neben mir herspurtete, versuchte er nun, mich zu trösten. Seine Stimme zitterte. Ich nahm an, dass ihm nicht entgangen war, dass schon jetzt ein nasser Fleck in der Hose prangte. Das war unerträglich. Wie könnte ich ihm jemals wieder in die Augen sehen?

Noch furchtbarer als der Schmerz in meinem Unterleib war jedoch die Überlegung, wie es weitergehen sollte. Ich war mir inzwischen sicher, dass der Parkplatz immerhin einen Sichtschutz vor den Leuten auf der Uferpromenade bieten würde, doch von dem Gedanken, es noch zu einer Toilette zu schaffen, konnte ich mich trennen. Blanke Verzweiflung raubte mir den Atem. Es war der grauenvollste Tag meines Lebens, davon war ich überzeugt. Und in dem Augenblick, in dem ich spürte, wie alle Dämme brachen, wurde er noch viel schlimmer …

 

Ich schrie spitz auf. Entgegen meinem Widerstand bahnte der Urin sich seinen Weg, floss heiß in mein Höschen, durchtränkte erst den seidigen Stoff, und verfing sich dann im festen Material der Jeans, um einen immer größer werdenden Fleck zu hinterlassen. In dunklen Bahnen strömte es an mir herunter, bevor es in meine Turnschuhe lief und danach auf den Boden.

Geschockt starrte ich an mir hinab; resigniert sah ich zu meinem Freund, der wie vom Donner gerührt dastand. Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ehe ich mich jedoch umdrehen und einfach wegrennen konnte, weg von den Blicken, weg von ihm, griff er hart nach meiner Hand.

»Bleib hier, Kati«, bat er. Und darauf folgte etwas Unerwartetes: Er zog mich an seine Brust. Während es nach wie vor endlos aus mir hinauslief und ich spürte, wie sich eine ungeheure, wenn auch nur körperliche, Erleichterung einstellte, schlang mein Partner seine Arme um mich. Den Widerstand beachtete er nicht. Ganz eng zog er mich an sich, presste sich dermaßen fest an mich heran, dass ich Angst bekam, nun auch noch ihn vollzupinkeln.

 

Lennart schien das jedoch nicht zu stören. Sein Gesicht war in meinen Haaren vergraben, als er mir leise Dinge ins Ohr flüsterte:

»Lass es laufen, Süße, hier kennt dich keiner. Ist egal. Lass sie gucken, Hauptsache du musst dich nicht mehr quälen.« So in der Art ging es weiter, er wiederholte sich so lange, bis ich mich tatsächlich entspannte. Und es lief unaufhörlich. Die Resignation, die von mir Besitz ergriffen hatte, wurde zu einer Leichtigkeit ohne Grenzen. Ich hätte abheben können, so wundervoll war es, endlich nicht mehr einhalten zu müssen. Noch immer brannten meine Wangen vor Scham, doch es gelang mir wenigstens zum Teil, die Blicke der Fremden auszublenden. Stattdessen konzentrierte ich mich auf Lennart. Auf das Gefühl, von ihm gehalten zu werden und das Erstaunen über diese ungewöhnliche Reaktion. Glücklich schmiegte ich mich an ihn – nass waren wir ohnehin.

 

Seine gemurmelten Entschuldigungen bezog ich in jenem Moment einzig darauf, dass es ihm leidtat, vorher so wenig Geduld gezeigt zu haben. Das verzieh ich ihm gerne. Allerdings nur so lange, bis dieser magische Augenblick vorüber war und er genug Mut gesammelt hatte, mir zu sagen, dass diese ganze Sache Absicht gewesen war. Zumindest ein kleines bisschen. Zwar hatte Lennart nicht damit gerechnet, dass es so ausgehen würde, doch die Hoffnung, mich in Nöten zu erleben, war es, die ihn dazu gebracht hatte, mir den Gang zum Klo zu verweigern.

Plötzlich war er es, der mit Schamesröte im Gesicht vor mir stand und mir mitten auf dem Deich beichtete, wie sehr es ihn anmachte: meine Unruhe, meine Not und am allermeisten, wenn er es auch nicht zu hoffen gewagt hatte, meine nasse Jeans. Als er bemerkt hatte, wie sehr ich litt, konnte er nicht mehr zurück. Und ich muss sagen, ich rechnete es ihm hoch an, dass er mir dort auf der Stelle die Wahrheit sagte. Und die saftige Ohrfeige klaglos einsteckte, die er sich daraufhin einfing. Danach ging es mir besser.

»Ich weiß, das ist voll in die Hose gegangen«, seufzte er, »deshalb habe ich das wohl verdient.«

»In absolut jeder Hinsicht«, bestätigte ich. Doch dann beugte ich mich zu ihm und küsste ihn. Er war noch immer mein Traumprinz und er hatte Recht: Hier kannte uns wirklich niemand.

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