Aus purer Verzweiflung – Mit voller Blase im Kaufhaus (Kurzgeschichte)

Aus purer Verzweiflung
Mit voller Blase im Kaufhaus

Von Rebecca Valentin

Kurzgeschichte, erschienen am 01.06.2016

VG Wort
Verzweifelte Frau

Wo zum Teufel sind hier bloß die Toiletten? Von dieser nachdrücklichen Frage wie besessen, irrte ich durch das Kaufhaus. Hektisch hielt ich nach entsprechenden Hinweisen Ausschau, doch es kam keiner in Sicht. Bald, so spürte ich, würde ich dem gewaltigen Fordern meiner Blase nicht länger standhalten können. Oh je, wie verdammt dringend es war! Noch zu Beginn hatte ich Wert darauf gelegt, möglichst gelassen zu wirken und dass niemand mir die Notsituation ansehen sollte, doch mittlerweile war mir auch das egal. Ich wollte nur noch pinkeln – so heftig hatte ich schon ewig nicht mehr zum Klo gemusst.

Mein Schritt beschleunigte sich; die Hand zwischen den Beinen rannte ich fast durch die Gänge, vorbei an vollen Kleiderständern, aufeinandergestapelten Klamotten und dichtbepackten Regalen. Weitere Besucher des Warenhauses kamen mir entgegen oder, was erheblich schlimmer war, schlenderten in aller Gemütsruhe vor mir her. Wenn die wüssten, dachte, ich, während ich mich teils sehr unsanft an ihnen vorbeidrängte, wie wahnsinnig nötig ich muss.

 

Vor nicht einmal einer halben Stunde war dies noch ganz anders gewesen. Da hatte ich mit Freundinnen im Café um die Ecke gesessen – ein gemütliches Pläuschchen bei Kaffee und Kuchen. Es war so unterhaltsam und anregend zugegangen, dass wir uns sogar noch ein zweites Kännchen nachbestellt hatten und es auch nicht nur bei einem Glas Wasser geblieben war, das wir aus Gewohnheit stets zu dem schwarzen, sehr starken Muntermacher tranken.

Zwei der Frauen waren zwischendurch auf das dort befindliche WC verschwunden, eine Dritte hatte es kurz vor unserer Verabschiedung aufgesucht. Nur ich hatte darauf verzichtet … Wie blöd kann man sein, rügte ich mich nun, da es beinahe zu spät war, für diese Nachlässigkeit. Zwar hatte ich einen leichten Harndrang verspürt, doch er war mir nicht kräftig genug erschienen, als dass ich ihm auf der Stelle hätte nachgeben müssen. Das schaffe ich locker bis nach Hause, lautete meine Einstellung dazu – eine leichtsinnige Einschätzung, die ich nun bitter bereute.

Da ich noch Zeit übrig gehabt hatte, war mir die Idee gekommen, ein wenig im Warenhaus bummeln zu gehen, was sich ebenfalls als Fehler erwiesen hatte. Denn inmitten der vielen Menschen und der ausgestellten Produkte war es dann passiert, dass der Druck von jetzt auf gleich dermaßen drastisch zugenommen hatte, dass ich glaubte, ihn kaum mehr aushalten zu können. Ein Phänomen, das mir zuvor komplett unbekannt gewesen war. Bis dahin hatte ich das Gefühl, pinkeln zu müssen, durchweg so erlebt, dass es langsam angestiegen war, in einer Weise, die mir stets genügend Spielraum gelassen hatte, mir noch rechtzeitig eine Möglichkeit zum Wasserlassen zu suchen. Du meine Güte, was war nur geschehen? Wie war es nur so schnell, so nötig geworden?

 

Da endlich, eine Infotafel, auf der die zwei verheißungsvollen Buchstaben ‚W‘ und ‚C‘ abgebildet waren und die mich in Richtung des rückseitigen Treppenhauses wies!

Oh Gott, ein Klo, gleich würde ich gerettet sein, freute ich mich und preschte auf die gläserne Schwingtür zu, die zu den Treppenaufgängen führte.

In meiner Blase pochte es ungeduldig, nur mit Mühe behielt ich den Schließmuskel im Griff, als ich nach einigen Stufen, die ich atemlos hinabgestiegen war, das nächste Schild entdeckte, dem ich angespannt folgte. Links herum, einen Gang entlang – und ja, da waren sie, die ersehnten Toilettentüren, die jeweils das Symbol einer Frau und das eines Mannes trugen. Sofort verstärkte sich der Druck in meinem Unterbauch enorm und ich schob die rechte Hand erneut zwischen die Schenkel. So eisern ich konnte, hielt ich mich zu, presste die Finger durch den Stoff der Kleidung in die warme Spalte meiner Vagina hinein.

Nun aber los, sagte ich mir, eilte auf die Kunden-WCs zu und legte die Hand bereits an die Türklinke des Damenklos, um sie im selben Moment herunterzudrücken. Gleichzeitig wollte ich die Tür nach innen aufstoßen und mich sogleich in den Raum hineindrängen, als ich merkte, dass sie fest verschlossen war.

„Nein, bitte nicht“, stieß ich keuchend hervor und fühlte in jenem Augenblick, dass sich erste Tropfen des Urins verselbständigten und mir heiß und unerwartet ins Höschen gingen. Hilfe, jetzt läuft sogar schon was, gesellte sich ein panischer Impuls hinzu, der mich ohne weiter nachzudenken bewog, mich dem Herrenbereich zuzuwenden und mein Glück bei ihm zu versuchen. Eine Maßnahme, die ich unter anderen, weniger zwingenden Umständen niemals in Betracht gezogen hätte … Bitte bitte, lass wenigstens diese offen sein, flehte ich inständig, aber auch hier blieb ich erfolglos. Beide Türen abgeschlossen, das darf nicht wahr sein! Was soll ich denn nur tun?

„Oh Mann“, flüsterte ich, „ich kann es nicht mehr einhalten, ich muss doch so tierisch dringend!“

 

Die Hand nach wie vor zwischen den Beinen hastete ich den Gang wieder zurück. In der Bewegung war der unermessliche Druck leichter auszuhalten, dennoch spürte ich ihn machtvoll in mir brodeln. Dazu der feuchte Steg meines Höschen, der an der zarten Haut des Intimbereichs haftete und unverkennbar davon zeugte, wie außerordentlich nötig es war.

Mit zusammengekniffenen Knien und dem allumfassenden Gefühl, dass es jeden Augenblick so weit sein könnte, dass ich lospinkeln würde, beeilte ich mich, so flott es mir möglich war, die Treppe wieder hinaufzukommen. Kein anderer Gedanke als der, wo ich endlich meine berstendvolle Blase entleeren dürfte, hatte noch Platz in meinen Kopf.

Bei dem nur minimalen, aber dennoch ausreichenden Kraftaufwand, den es bedurfte, die Glastür zum Verkaufsbereich erneut zu öffnen, schoss mir eine weitere, diesmal erheblichere Menge Pipi in den Slip. Mein Atem beschleunigte sich, wurde schneller als ohnehin schon; Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn. Zu der Sorge, dass die ersten nassen Spuren durch die Unterwäsche hindurchsickern und sich auf der hellen Sommerhose abzeichnen müssten, kam eine Zweite, deutlich Größere hinzu: die des drohenden totalen Kontrollverlusts.

 

In der vagen Hoffnung, ich könnte mich untenherum erfolgreich abzwängen, quetschte ich mir die Finger noch immer tief in die Mitte des heißen, feuchten Schlitzes zwischen den Schenkeln. So stolperte ich kopflos weiter, ohne jede Idee, wie ich der Misere halbwegs trocken würde entkommen können. Ich fühlte nur eines: Ich musste so dringend pullern, wie noch nie in meinem gesamten Leben!

Als hätte das Schicksal mich gelenkt, tauchte unmittelbar vor mir eine Reihe von Umkleidekabinen auf. Ähnlich eines hellen Lichtblitzes durchfuhr mich schlagartig ein Einfall, der mir Hoffnung gab und mich zugleich vor Scham erröten ließ … Nein, oder?, fragte ich mich selbst und wusste gleichzeitig, dass ich es tun würde. Was blieb mir übrig? Ich war verzweifelt wie nie und eine nasse Hose vor all den Menschen konnte nicht ernsthaft die Alternative darstellen.

 

Zeit zu überlegen hatte ich nicht – ich spürte überdeutlich, dass mein Körper an jedweder Grenze angelangt war. Keine Minute später dürfte es so weit sein, dass ich mich, wie ich es einschätzte, erbarmungslos einpinkeln müsste. Etwas, das es um alles in der Welt zu verhindern galt. Also gut, denke nur an die Linderung hinterher, sprach ich mir Mut zu, das Innere einer solchen Kabine bereits vor Augen. Standardmäßig waren diese mit einem einfachen Sitzhocker ausgestattet, der von dem, was ich zu tun gedachte, jedoch nicht unerheblich nass werden würde, und der Fußboden gleich dazu. Womöglich könnten ein oder mehrere Rinnsale unter dem Vorhang hervorlaufen und mich verraten? Auch hierfür brauchte ich eine Lösung: Da ich mich in der Abteilung für Damenoberbekleidung befand, griff ich mir im Vorüberhasten den erstbesten Pullover aus dem Regal, den ich plante, als eine Art Unterlage zu benutzen.

 

Diesen unter den Arm geklemmt tat ich, als hätte ich vor, ihn anzuprobieren, als ich panikartig in den engen Bereich stürzte und den Satinvorhang fahrig hinter mir zuzog.

Erneut das Ziel vor Augen, nahm der Druck wieder erheblich zu, so dass sich unter Qual ein dritter Schwall des Goldwassers löste und mir unaufhaltbar in das ohnehin schon klamme Höschen jagte. Bei dem unglücklichen Versuch, ihn zu stoppen, fühlte ich ein Brennen tief in mir – wie ein mit gelber Flüssigkeit gefüllter Ball lag meine Blase prall in meinem Unterleib und verlangte beharrlich und mit immer stärkerer Vehemenz, entleert zu werden. Ansonsten, so wisperte meine Ratio mir zu, macht sie es gleich von allein. Bloß das nicht! Von dieser Sorge angestachelt, warf ich den Pulli, der passenderweise aus einem saugfähigen Sweatshirtstoff hergestellt war, auf den schmalen Hocker, der wie erwartet bereitstand, und zerrte mir, hilflos wimmernd und mit überkreuzten Beinen dastehend, Knopf und Reißverschluss der leichten Hose auseinander.

Sie im Anschluss herunterzustreifen war nicht einfach und es gelang mir nur bis zur Hälfte, da die Dämme beim Auseinandernehmen der Schenkel definitiv und ohne weitere Verzögerung gebrochen wären.

„Oh Gott, ich muss so doll, ich muss“, flüsterte ich von Angst ergriffen, „bitte lass es nicht noch in der allerletzten Sekunde schiefgehen!“ Den letzten Rest meines Durchhaltevermögens zusammenraffend brachte ich es fertig, die Hose mitsamt Slip bis unterhalb der Knie zu schieben. Hierbei löste ich jedoch die Beine voneinander, was dazu führte, dass es im selben Moment kein Halten mehr gab und der angestaute Urin in einem dicken, heißen Strahl aus meiner Harnröhre hervorschoss. Blitzschnell hielt ich die Hand darunter und ließ mich nach hinten, auf den mit dem weichen Pullover präparierten Hocker fallen.

 

Dort zog ich die Finger fort, und schloss die Augen. Himmlische Erleichterung breitete sich in mir aus – es lief und lief und lief. Als würde ich auf einer Toilette sitzen, gab ich die gigantische Menge des dermaßen lange und schmerzlich zurückgedrängten Urins frei. Draußen herrschte weiterhin reges Treiben; ich hörte die Leute außerhalb der Kabine reden und an ihr vorübergehen.

Bemüht, leise zu sein, kann ich bis heute nicht sagen, ob ich dennoch ein Stöhnen der Erlösung von mir gegeben habe. Das zischende Geräusch meines Strahls aber, das vom Material des Pullis nahezu vollständig gedämmt worden, und deshalb nicht nach außen gedrungen war, ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Kraftvoll strömte er in die Fasern der Textilie hinein; grenzenloses Wohlgefühl durchzog mich bis in die letzten Winkel meines Körpers.

Nachdem ich die Augen wieder geöffnet hatte, erblickte ich mich im Spiegel vor mir – in der Tat, ich saß wie auf einer WC-Schüssel, schaute mir ins Gesicht und pinkelte hemmungslos und in größter Verzweiflung ein Kleidungsstück nass, das mir nicht gehörte. Verwerflich, ohne Frage, doch in jenem Augenblick sorgte es für überwältigende Befreiung, die ich so schnell sicher nicht vergessen würde.

 

Bevor der Strom versiegte und ich mich von meinem improvisierten Klo erhob, bemerkte ich, dass es von einer herabhängenden Ecke des Pullovers auf den Boden zu tropfen begann. Oh nein, nicht dass jetzt, da alles überstanden war, noch jemand auf meine so ungehörige und verbotene Tat aufmerksam werden würde …

Flink fasste ich nach dem Stück Stoff und steckte es, als nichts mehr aus mir herauskam und ich endgültig aufgestanden war, zurück in eine Falte des tropfnassen Sweatshirt-Knäuls hinein.

Anschließend zog ich mir den durchfeuchteten Slip mitsamt der Hose wieder hoch, schloss Zipper und Knopf und überlegte nun, was ich mit dem Corpus Delicti anstellen sollte. Es zu kaufen, wäre die moralisch vertretbarste aber auch peinlichste Variante. Es zu stehlen, die Gefährlichste. Wahrscheinlich würde dies aufgrund erheblicher Sicherheitsvorkehrungen ohnehin nicht möglich sein. Und es hier einfach liegenzulassen? Käme das in Frage? Nein, beschloss ich, als Verkäuferin oder Reinigungskraft ein vollgepinkeltes Kleidungsstück in einer der Umkleidekabinen aufzufinden, hätte ich auch wenig Lust. Also doch kaufen …

 

Soeben war ich im Begriff, den klatschnassen Pullover hochzunehmen und mit ihm in der Hand den schweren und überaus blamablen Gang zur Kasse anzutreten, da hielt ich noch einmal inne: Wollte ich das wirklich? Konnte ich mich zu diesem beschämenden Eingeständnis überwinden? Irgendwie doch nicht so recht …

Dennoch tat ich es am Schluss, was mir auch im Nachhinein noch ein gutes Gefühl bescherte. Denn etwaige Gewissensbisse, die mir jenen unglaublichen Genuss der Erleichterung noch nachhaltig hätten verderben können, brauchte ich ganz und gar nicht.